08/08/2024 0 Kommentare
Historische Fundsache: Großer Streit um einen kleinen Täufling
Historische Fundsache: Großer Streit um einen kleinen Täufling
# Kirchengeschichte

Historische Fundsache: Großer Streit um einen kleinen Täufling
Wenn man die Metzgerei Blum am Diezer Marktplatz betritt, kann man am Eingang eine Ahnentafel entdecken, die bis 1741 zu Johann Nikolaus Blum, dem ersten Metzgermeister der Familie hier, zurückreicht. Zu diesem Ur-Blum sind jetzt im Pfarrarchiv der Stiftskirche ein paar alte Textseiten aufgetaucht, die interessante Einblicke in die damaligen konfessionellen Verhältnisse in Diez erlauben. Denn nach der Ansiedlung der Lutheraner in Diez auf Grund der Privilegien der Fürstin Henriette Amalie 1704 verlief das Zusammenleben mit den alteingesessenen reformierten Diezern alles andere als harmonisch. Hauptstreitpunkte waren Mischehen, dazu Taufen und Konfirmationen der Kinder aus diesen Ehen. An sich galt folgende Regelung: Söhne erhalten die Konfession des Vaters, Töchter folgen der Mutter – normalerweise. Häufig lief die Taufe aber nicht normal ab, so auch bei Nikolaus Blum (lutherisch) und seiner Ehefrau Maria Ursula, geb. Brücher (reformiert), die am 11. September 1741 einen Sohn geboren hatte. Der Vater wollte ihn, nach Absprache mit seinem Pfarrer Johann Burkhardt Thiel, am 16. September im morgen gebeth…tauffen laßen. Doch noch am Vorabend der Taufe ließ der reformierte Pfarrer Philipp Pforrius den jungen Eltern bey strafe ausrichten, dass das Kind nicht lutherisch getauft werden könne. Begründung: Angeblich hätten die Eheleute – vor allem auf Druck der Brautmutter - bei ihrer Verlobung versprochen, ihre Kinder reformiert taufen und erziehen zu lassen. An dieser Stelle begann um das Seelenheil des kleinen Täuflings ein bürokratischer Kleinkrieg, der für uns heute kaum nachvollziehbar ist. Es kam zu amtlichen Verhören der Beteiligten, darunter auch die Kindbetterin und ihre Schwester. Protokolle wurden verfasst, und sogar der Gerichtsschöffe schaltete sich ein. Klarheit hinsichtlich des frühen Versprechens der Brautleute ergab sich jedoch nicht, so dass schließlich der Landesherr, Fürst Wilhelm IV. Friso, am 20. September ein Machtwort an die Adresse der Reformierten richten musste: Alßo befehlen wir Euch gnädigst, den Evangel. Luther. prediger in der Tauff dießes Kindes nicht zu behindern. Das Ganze hatte außerdem einen ganz banalen, nämlich finanziellen Aspekt, denn die Gebühren für sog. Kasualien, d.h. außerordentliche Amtshandlungen wie die Taufe, wären der lutherischen Gemeinde sonst verloren gegangen.
A.Morlang, Altendiez
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