Zur Person: Pfarrer Friedrich Eibach (1881-1951)

Zur Person: Pfarrer Friedrich Eibach (1881-1951)

Zur Person: Pfarrer Friedrich Eibach (1881-1951)

# Kirchengeschichte

Zur Person: Pfarrer Friedrich Eibach (1881-1951)

Pfarrer Friedrich Eibach (1881-1951) und sein Einsatz für eine Jüdin (1943)

Von den Diezer Pfarrern hat sich Friedrich Eibach, der von 1925 bis 1947 in der Jakobus-Gemeinde Freiendiez tätig war, während des „3. Reiches“ als Kritiker des Regimes am meisten exponiert. Besonders hervorzuheben ist sein Einsatz für Rosalia Schäfer, eine – laut NS-Jargon – in „Mischehe“ lebende Freiendiezer Bürgerin[1]. Im Rahmen der sog. „Endlösung der Judenfrage“ erhielten die hiesigen Landräte von der Gestapo Frankfurt am 20. März 1943 folgende Anweisung:

Um alle Juden restlos zu erfassen, bitte ich eine nochmalige Überprüfung des dortigen Bezirks zu veranlassen. Alle noch vorhandenen Rasse- u. Geltungsjuden sowie ledige Mischlinge 1. Grades sind listenmäßig mitzuteilen und anzugeben, ob der betreffende Jude verheiratet ist und ob Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind und ob die Mischehe noch besteht oder nicht. Die Listen bitte ich mir bis zum 15.4.1943 zu übersenden…

Am 17. April 1943 antwortete der zuständige Landrat: Unter Bezugnahme auf obengenanntes Schreiben gebe ich nachstehend die noch im Unterlahnkreis wohnhaften Juden und Mischlinge 1. Grades bekannt: In Diez/Lahn Rosa Schäfer, geb. Holländer, geb. 28.5.1881. Dieselbe ist mit einem Arier, August Schäfer, Diez/L. verheiratet.

Rosa(lia) Schäfer stammte aus Galizien und hatte 1904 als getaufte Jüdin den Freiendiezer Arbeiter August Schäfer geheiratet. 1910 wurde ihre Tochter Johanna geboren. 1943 wohnte die Familie in der Brückenstr. 6.  In einer von der Stadt Diez 1960 erstellten „Liste der noch am 30.9.1938 in Diez gemeldeten (jüdischen) Personen finden sich zu ihrem Namen zwei Vermerke: abgemeldet nach Frankfurt/M. am 10.5.1943 und 11.10.43 in Auschwitz verstorben. Die „Abmeldung“ umschreibt verharmlosend die Inhaftierung von Rosalia Schäfer im Gestapogefängnis Frankfurt  und noch am selben Tag meldete der Landrat Vollzug „nach oben“, dass der Kreis jetzt judenfrei sei. 

Pfarrer Eibach entstammte einer „Pfarrerdynastie“ und wurde während seiner Ausbildung vom pietistischen Geist der Franckeschen Stiftung in Halle geprägt, wo er einige Jahre als Internatsschüler und Theologiestudent verbracht hatte. Unter der Überschrift Die Kirche und nationalsozialistische Ausschreitungen hat er in der Pfarrchronik über seine Auseinandersetzungen mit der deutsch-christlichen Kirchenleitung und NS-Organen berichtet. Aber  anfangs passte sich auch Eibach dem Trend vieler Pfarrer an, zunächst eine wohlwollende Haltung gegenüber der neuen Regierung einzunehmen, denn sein Eintrag 1933 in die Familienbibel lautet: Die völkische Erneuerung ist angebrochen unter Adolf Hitler. Wir sind dankbar und froh. Gott helfe weiter. Doch bald distanzierte er sich davon, denn es kam zu ersten Konflikten mit der örtlichen Hitlerjugend, deren Aktivitäten gegen kirchliche Jugendgruppen gerichtet waren und die Eibachs Gottesdienst am Sonntag durch Vorbeimarsch mit lautem Gesang und Beschallung aus einem Großlautsprecher störte. Am 1. August 1933 zeigte Eibach öffentlich, dass er nicht gewillt war, weitere Übergriffe widerstandslos hinzunehmen. Anlass war die sog. „Freiendiezer Blutnacht“, als SA- und SS-Schläger Diezer Juden, Kommunisten und Sozialdemokraten gewaltsam ins Freiendiezer Rathaus brachten, dort „verhörten“, d.h. verprügelten, und anschließend als „Schutzhäftlinge“ in das Zentralgefängnis Freiendiez einlieferten. Obwohl die Inhaftierten mehrheitlich nicht zu seiner Gemeinde gehörten bzw. gar keine Kirchenmitglieder waren, erreichte Eibach durch energisches Verhandeln, dass der Gefängnisdirektor fast alle „Schutzhäftlinge“ freiließ. (Abb. 46: Ehepaar Eibach)

Eibachs unkonventionelles Verhalten fand natürlich Eingang in die Parteiakten und in die der neuen Kirchenleitung, die der Linie der „Deutschen Christen“ (= DC) folgte. Seit Sommer 1933 ging der neue Landesbischof Ernst Ludwig Dietrich gezielt daran, „seine“ Kirche und Pfarrer  „gleichzuschalten“, zunächst „nur“ mit Disziplinarmaßnahmen. In diesem Kontext solidarisierte sich auch Eibach mit Wiesbadener Kollegen in einem geharnischten Brief vom 6. Januar 1934 an Dietrich gegen das von diesem verhängte Verbot kirchenpolitischer Betätigung. Im März 1934 protestierten 53 nassauische Pfarrer – darunter auch Eibach – gegen die Strafversetzung ihres engagierten Kollegen Karl Amborn, Pfarrer in Braubach. Eibach stellte auch, mit Rückendeckung des Kirchenvorstandes, das Gemeindehaus für Zusammenkünfte mit Kollegen der „Bekennenden Kirche“ (= BK) zur Verfügung. Als man später merkte, dass die Treffen – wahrscheinlich vom eigenen Küster – abgehört wurden, trafen sich die BK-Pfarrer in Eibachs Privatwohnung im Pfarrhaus. Zu den Ausschreitungen in Diez während der sog. „Reichspogromnacht“ Anfang November 1938 schrieb Eibach Folgendes in die Pfarrchronik: Als im November 1938 der Juden-Pogrom stattfand, habe ich in der Predigt des nächsten Sonntags gegen diese Schmach Stellung genommen. Heimgekehrt, erschien ein Polizist u. forderte das Konzept der Predigt, das ich aushändigte. Es erfolgte nichts. Vielleicht hat die Gestapo in diesem Fall nur weitere Unbotmäßigkeiten Eibachs abgewartet und gesammelt zwecks einer späteren Disziplinierung.

Als Rosalia Schäfer im Mai 1943 verhaftet wurde, gab es darüber Unruhe und Gerüchte in der Gemeinde, deren unterschiedliche Reaktionen Eibach kurz beschrieb: Das Entsetzen über dieses Verfahren erfaßte den größten Teil der Gemeinde, zumal die Frau sehr beliebt war. Die Parteigenossen blieben kalt. Den weiteren Verlauf dieses Falles fasste er in einem längeren Bericht zusammen[2]:

Als ich, aus dem Urlaub zurückkehrend – Mai 1943 – hörte, daß die evangelische Ehefrau des evangelischen Arbeiters August Schäfer, Rosa…nach Frankfurt a.M. bestellt u. dort von der Geheimen Staatspolizei in Haft genommen sei, richtete ich an diese über das Evang. Kirchenamt in Darmstadt ein Schreiben, in dem ich bezeugte, daß diese Frau sich in keiner Weise strafbar gemacht habe, daß sie allgemein wohlgelitten u. geachtet sei, auch daß sie gänzlich ungefährlich sei u. hier niemand ihr etwas zu Leide getan habe, u. indem ich bat, sie wieder freizugeben. Ich erhielt über den Landrat die Antwort, sie sei eine Jüdin u. es bliebe bei der getroffenen Maßnahme. Darauf richtete ich an die Gestapo ein zweites Schreiben u. teilte mit, hier ginge das Gerücht um, sie sei in der Haft durch staatliche Maßnahmen getötet worden, u. es sei von höchstem staatlichen Interesse, daß dieses Gerücht durch ihre Rückkehr oder den Besuch seitens ihres Mannes widerlegt werde. Daraufhin wurde ich selbst auf den 14. August (1943) vorgeladen – Ffm, Lindenstr. – u. verhört. Es wurde von mir verlangt, ich solle mein Eintreten für diese Jüdin mit dem Ausdruck des Bedauerns zurücknehmen. Man suchte mich einzuschüchtern mit den Vorwürfen, ich fiele Hitler in seinem schweren Kampf gegen die Juden in den Rücken, ich sei Judenfreund u. Staatsfeind. Für das Gerücht, daß die Polizei die Jüdin getötet habe, machte sie mich selbst verantwortlich. Ich hielt den Beamten der Gestapo meinerseits vor, daß diese Jüdin Glied unserer Gemeinde sei u. ich darum die Pflicht habe, für sie einzutreten, daß die Frau völlig unschuldig sei u. nicht der geringste Vorwurf gegen sie vorliege u. daß die Polizei ihrerseits verpflichtet sei, Unschuldige zu schützen. Als ich dabei blieb, für sie einzutreten u. um ihre Freilassung zu bitten, hieß es: ‚Sie sollen sehen, daß die Frau lebt.‘ Sie wurde hereingeführt – eine kummervolle, vergrämte Frau -  ich gab ihr die Hand u. wollte ein Trostwort sagen, da hieß es: ‚Lassen Sie Ihren Quatsch ! Sie sollen nur sehen, daß die Frau lebt.‘ Sie wurde sofort hinausgeführt.

Nach Protokollierung meiner Aussagen, wobei ich meine Bitte um Freilassung auch ins Protokoll aufnehmen ließ, bekam ich den Auftrag, ihrem Ehemann u. meiner Gemeinde zu sagen, daß sie lebe, u. wurde entlassen. Vier Wochen später erhielt August Schäfer die Nachricht von ihrer Verlegung nach Auschwitz u. wieder nach 4 Wochen die Nachricht von ihrem Tod. Das Eintreten für sie hatte sie nicht retten können.

(Abb. 47: Gestapokarteikarte)

Obwohl Pfarrer Eibach die Freilassung von Rosalia Schäfer nicht erreicht hat und den letzten Satz in seinem Bericht so resignierend formuliert hat, sind sein Einsatz und Mut sehr beachtlich. Er hat sich – so der Eindruck – beim Verhör nicht einschüchtern lassen, nichts zurückgenommen und sogar durchgesetzt, dass seine Bitte um Freilassung im Protokoll festgehalten wurde und er die gedemütigte Frau wenigstens kurz persönlich sehen konnte[3]. Eibach hätte sicher eine späte Ehrung verdient, indem man etwa das bisher namenlose Freiendiezer Gemeindehaus „Friedrich-Eibach-Haus“ nennen würde.

Adolf Morlang

[1] Morlang: Bekenntnispfarrer (wie Anm. 70), S. 64-68.

[2] Diesen Bericht trug er nachträglich unter dem Datum 9. Mai 1946 in die Pfarrchronik ein.

[3] Die Ergebnisse weitere Forschungen der letzten Zeit zu Rosalia Schäfer hat Jens Reutzel, Mitglied im Stolperstein-Arbeitskreis, in einem Artikel in der NNP vom 20.1.2021 vorgestellt: „Auch als Christin war sie nicht vor den Nazis sicher.“ – Besonders verdienstvoll ist, dass hier auch SS-Untersturmführer Heinrich Baab, Leiter des Judenreferats der Gestapo Frankfurt, ausführlich erwähnt wird, der wohl auch Rosalia Schäfer vorgeladen und verhört hat.

Auszug aus dem Buch:

Sammelband

"Ecclesia laborans – militans – triumphans"

Merk-Würdiges

von unseren Kirchen und Pfarrern im Raum Diez-Limburg

Adolf Morlang

zu beziehen im Gemeindebüro (Mittelstraße 5a, Diez)


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